Kolumne in der Neckar Chronik am 03.Februar 2022

Am 13.Februar wird in der Bundesversammlung unser Staatsoberhaupt gewählt. Es ist mir eine große Ehre, dass ich als Teil einer Delegation, gemeinsam mit unserem Bundestrainer Hansi Flick, bei dieser Wahl meine Stimme abgeben darf. Auch empfinde ich Dankbarkeit gegenüber den Leistungen der uns vorangegangenen Generationen, die bei uns einen friedlichen Wechsel von Personen in Ämtern durch Wahlen ermöglichen. Denn ein Blick in die Welt zeigt, dass dies sowohl gegenwärtig, als auch in der Vergangenheit, eher einer Ausnahme gleichkommt.

„Die Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen aller anderen, die man von Zeit zu Zeit ausprobiert hat.“ Winston Churchill hatte damit einen möglichen Blickwinkel auf unsere Staatsform und ihrer Komplexität erfasst. In ihr hat jeder hat das Recht auf seine Meinung und kann sie frei äußern. Niemand hat jedoch ein Anrecht darauf, dass diese auch geteilt wird. Den Rechten, die wir in einer Demokratie genießen, stehen dabei auch Pflichten gegenüber, allen voran in der Verantwortung gegenüber unseren Mitmenschen. Diese Verantwortung wurde in den vergangenen Monaten im Kampf gegen die weltweite Corona-Pandemie noch bedeutsamer.

Zu der Problematik, dass die Demokratie auch bei uns nicht als selbstverständlich betrachtet werden darf, kommt nun hinzu, dass einige autokratische Staaten den Demokratiebegriff in internationalen Institutionen, allen voran den Vereinten Nationen, oder durch die Austragung sportlicher Großveranstaltungen, für Ihre Herrschaftslegitimation zu vereinnahmen und in ihrem Sinne neu zu definieren versuchen.

Umso befremdlicher ist es, wenn einige wenige davon sprechen, dass wir in einer irgendwie gearteten Diktatur leben würden. Dies ist ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die tatsächlich in einer Diktatur leben müssen. Der Widerspruch, dies bei einer öffentlichen Kundgebung zu äußern, wohlwissend, was Menschen in Diktaturen für eine ähnliche Aussage fürchten müssten, erinnert an das Werk „Psychologie der Massen“ von Gustav Le Bon. Indem ein Individuum in der sogenannten „Massenseele“ aufgeht, wird es, von verschiedensten Ideologien überzeugt, unempfänglich für Kritik oder Argumente. Die in einer Gruppe vorherrschende Meinung radikalisiert sich zunehmend.

„Alle sind gleich, aber manche sind gleicher.“ Mit diesem Zitat hatte George Orwell in seiner Sozialismuskritik „Farm der Tiere“ einige der größten Diktaturen des 20.Jahrhunderts prophezeit, die, ebenso wie ihre Nachfolgeregime, auch gegenwärtig eine beunruhigende Renaissance in ihrer Verehrung erfahren. Doch können wir auch unsere eigene Geschichte bemühen, um unmittelbar Beispiele für Diktaturen zu finden, die noch heute von politischen Rändern glorifiziert werden. Dass wir, trotz allem, in einem vereinigten Deutschland, eingebettet in eine europäische Gemeinschaft, unser Staatsoberhaupt wählen können – auch daran werde ich denken, wenn ich in der Bundesversammlung meine Stimme abgeben werde.

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